Methodik

Untersucht wurden heute gebräuchliche Blutgasanalysatoren verschiedener Hersteller (siehe Anhang B). Dabei wurden arterielle und venöse Blutproben von Patienten und gesunden Probanden sowie Prüfgase definierter Zusammensetzung benutzt. Die Durchführung erfolgte gemäß der Deklaration von Helsinki und mit schriftlichem Einverständnis von Patienten und Probanden. Der Ablauf der Untersuchung war gegliedert in einen theoretischen und einen praktischen Teil:

Im theoretischen Teil wurden gebräuchliche Formeln zur Berechnung der Basenabweichung des Blutes (BEbl) und der Basenabweichung unter Berücksichtigung der Extrazellulärflüssigkeit (BEecf) mit simulierten Daten untersucht. Die Berechnung der Bikarbonatkonzentration (cHCO3) wurde dabei auch unabhängig vom BE untersucht.

Im praktischen Teil wurden native und äquilibrierte Blutproben mit den untersuchten Geräten analysiert und die Ergebnisse verglichen. Dabei wurde mit einem Computerprogramm die Basenabweichung nach verschiedenen Algorithmen aus den Benutzerhandbüchern und der Literatur berechnet, um auch den Einfluß der Berechnungsmethode auf die Meßergebnisse bei verschiedenem Probenmaterial (arteriell, venös oder tonometriert) zu ermitteln.

Theoretischer Teil

Anhand von Beispielrechnungen und Diagrammen wurde dargestellt, wie sich Ergebnisse für BEbl, BEecf und cHCO3 zwischen verschiedenen Berechnungsmethoden unterscheiden, wenn jeweils dieselben simulierten Werte (pH und pCO2, ggf. cHb und sO2) eingesetzt werden. Die dabei verwendeten Algorithmen stammen aus der aktuellen Literatur oder wurden den Handbüchern der Geräte entnommen.

Berechnungsmethoden

Um die verschiedenen Berechnungsarten für die Basenabweichung des Blutes (BEbl) und die Basenabweichung unter Berücksichtigung der Extrazellulärflüssigkeit (BEecf) miteinander zu vergleichen, wurden zuerst die aus den Benutzerhandbüchern und der Literatur entnommenen Formeln in der Programmiersprache Visual Basic for Applications (VBA) als Funktionen programmiert. Mit diesen Funktionen konnten durch Eingabe der Hämoglobinkonzentration, des pH, und der Partialdrücke von Kohlendioxid und Sauerstoff die Werte für BEbl oder BEecf nach allen betrachteten Methoden auf einheitliche Weise berechnet werden.

Die Funktionen zur Errechnung der Werte für die Basenabweichung benutzten ihrerseits Funktionen zur je nach Autor unterschiedlichen Berechnung des Bikarbonats, die ebenfalls in VBA programmiert wurden. Zusätzlich boten sie die Möglichkeit einer Korrektur des BEbl und des BEecf für Messungen bei unvollständiger Sauerstoffsättigung (vgl. ZANDER, 1995).

Berechnung des BEbl

Die herkömmliche Basenabweichung ohne Berücksichtigung der Pufferkapazität der Extrazellulärflüssigkeit kann durch zwei prinzipiell unterschiedliche Algorithmen errechnet werden, die vorliegend zur Anwendung kamen. Einer dieser Algorithmen wird nur in den Geräten von Radiometer verwendet (vgl. Anhang A), während der andere von allen anderen Analysatoren und einzelnen Autoren [ZANDER, 1995; DEGEN et al., 1996] verwendet wird:

·      Der von der Firma Radiometer für die Geräte ABL 500 und ABL 510 verwendete Algorithmus stellt eine Simulation des Säure-Basen-Nomogramms von SIGGAARD-ANDERSEN und ENGEL (1960) dar und wurde von CHRISTIANSEN (1981) entwickelt. Die vorliegend verwendete Berechnung ist dem Referenzhandbuch der Firma (Seite 3.3.2) entnommen (sieht Anhang A).

·      Der für die anderen vorliegend geprüften Geräte und nach den Literaturangaben benutzte Algorithmus wurde in folgender Form einheitlich erhalten:

 

BEbl[mmol/l] = (K1 - K2 · cHb[g/dL])×[(cHCO3- K3 ) + (K4 · cHb + K5)×(pH - 7,4)]Gl. 1

 

Die in dieser Vereinheitlichung enthaltenen Konstanten (K1 - K5) wurden wie in Tabelle 1 dargestellt eingesetzt (vgl. Tabelle 1).

Tabelle 1: Konstanten zur Berechnung der Basenabweichung des Vollblutes nach Gleichung 1.

Autor / Gerät:

K1

K2

K3

K4

K5

ZANDER 1995*

1

0,0143

24,26

1,63

9,5

AVL

1,0216

0,016112

24,3

1,87

6,674

Ciba-Corning

1

0,014

24,8

1,43

7,7

IL und Nova

1

0,014

24

1,43

7,7

* Zu dieser Berechnungsmethode gehört eine Verminderung des BEbl bei unvollständiger
Sauerstoffsättigung (siehe Kapitel
0).

Die Geräte von IL und Nova verwenden dieselben Konstanten.
Die von Ciba-Corning verwendeten Konstanten entsprechen dem Vorschlag des NCCLS (ehemals National Committee for Clinical Laboratory Standards)[Degen et al., 1996].

 

Wenn zur Berechnung des BEbl keine Hämoglobinkonzentration explizit angegeben wurde, verwendete der Analysator IL 1620 einen Wert von 14 g/dL, die anderen Geräte ohne Hb-Bestimmung (AVL Compact 2, Ciba-Corning 860, Radiometer ABL 500) hingegen eine Hb-Konzentration von 15 g/dL als Standardwert zur BEbl-Berechnung.

Berechnung des BEecf

Von den untersuchten Geräten und in der Literatur werden zwei unterschiedliche Methoden zur Berücksichtigung der Extrazellulärflüssigkeit bei der Berechnung der Basenabweichung verwendet:

·      Die Geräte von Radiometer (ABL 500 und ABL 510) errechnen den BEecf nach dem gleichen Verfahren wie die Basenabweichung des isolierten Blutes, unterstellen dabei jedoch eine konstante cHb von 3 mmol/L als Hämoglobinkonzentration des gesamten extrazellulären Flüssigkeitsraumes. In analoger Weise wurde vorliegend auch die BEbl-Formel nach ZANDER (1995) zur Berechnung des BEecf verwendet.

·      Bei allen anderen Geräten und nach der aktuellen Empfehlung der International Federation of Clinical Chemistry (IFCC) [BURNETT et al., 1995] wird der BEecf hingegen mit dem in Gleichung 2 dargestellten Algorithmus (Konstanten siehe Tabelle 2) berechnet. Mathematisch entspricht dieser Algorithmus der für den BEbl angegebenen Gleichung 1, wenn, unter Annahme einer konstanten Hämoglobinkonzentration, die Konstanten K1 und K2 (Tabelle 1) zur Konstanten K (Tabelle 2) und die Konstanten K4 und K5 (Tabelle 1) zu becf (Tabelle 2) zusammengefaßt werden. Die HCO3-Konstante (Tabelle 2) entspricht K3 (Tabelle 1).

 

BEecf [mmol/L] = K (cHCO3 [mmol/L] - HCO3-Konstante + becf (pH – 7,4))Gl. 2

 

Tabelle 2: Konstanten zur Berechnung des BEecf nach Gleichung 2

Autor / Gerät:

K

HCO3-Konstante

becf

IFCC 1995

1

24,20

14,800

AVL

0,94104

24,30

16,024

Ciba-Corning

1

24,80

16,200

IL und Nova

1

25,00

16,200

Die Geräte von IL und Nova verwenden dieselben Konstanten.
Die von Ciba-Corning verwendeten Konstanten entsprechen dem Vorschlag des NCCLS (ehemals National Committee for Clinical Laboratory Standards)[Degen et al., 1996].

 

Berechnung des Bikarbonats

Zur Berechnung des Bikarbonats kamen ebenfalls zwei prinzipiell unterschiedliche Algorithmen zur Anwendung:

·      Die Geräte von Radiometer berechnen das Bikarbonat nach Gleichung 3, wobei von einem pH-abhängigen Dissoziationskoeffizienten pK' in der Henderson-Hasselbalch-Gleichung ausgegangen wird [SIGGAARD-ANDERSEN et al., 1988]:

cHCO3[mmol/L] = 0,23 · pCO2 [kPa] · 10 pH - 6,125 · (1 + 10 pH-8,7) Gl. 3

Dabei gilt: pCO2 [kPa] = 0,133322 * pCO2 [mmHg]

 

·      Für die anderen hier geprüften Geräte und die betrachteten Empfehlungen aus der Literatur wurde Gleichung 4 (mit den Konstanten aus Tabelle 3) verwendet, die eine pH-unabhängige Dissoziationskonstante pK' voraussetzt:

cHCO3 [mmol/L] = HCO3-Faktor × pCO2 [mmHg] · 10 pHGl. 4

 

Tabelle 3: Faktoren zur Berechnung des Bikarbonats nach Gleichung 4.

Autor / Gerät:

HCO3-Faktor

IFCC 1995

2,4075×10-8

ZANDER 1995

2,4148×10-8

AVL

2.3931×10-8

Ciba-Corning

2,4107×10-8

IL und Nova

2,4889×10-8

Die Geräte von IL und Nova verwenden dieselben Konstanten.
Die von Ciba-Corning verwendeten Konstanten entsprechen
dem Vorschlag des NCCLS[Degen et al., 1996]..

 

Korrektur des BEbl und des BEecf bei unvollständiger Sauerstoffsättigung

Von den Werten für die Basenabweichung wurde vorliegend ein Korrekturterm abgezogen, durch den berücksichtigt wird, daß Desoxyhämoglobin weniger saure Valenzen aufweist als oxygeniertes Hämoglobin [ZANDER, 1995], also der pH bei Abgabe von Sauerstoff aus dem Blut unter Konstanthaltung der sonstigen Parameter ansteigt, wodurch die unter anderem aus dem pH errechnete Basenabweichung ebenfalls ansteigt. Die Umrechnung von einer ohne Berücksichtigung der Sauerstoffsättigung errechneten Basenabweichung in eine Basenabweichung, wie sie nach Herstellung von Sauerstoffvollsättigung bestehen würde, erfolgte in allen Fällen wie in Gleichung 5 angegeben:

BESauerstoffvollsättigung = BESauerstoffsättigung bei Messung -0,2 · cHb[g/dL] · (1 - sO2[%])Gl. 5

 

Gleichung 5 wurde sowohl für die Basenabweichung des isolierten Blutes als auch für den BEecf verwendet. Sofern der BEecf mit einem Algorithmus zur Berechnung der Basenabweichung des Blutes bestimmt wurde [SIGGAARD-ANDERSEN et al., 1988], wurde zwischen einer Hämoglobinkonzentration des Extrazellulärraumes (auf den sich eine Störung des Säure-Basen-Gleichgewichts im Körper bezieht, cHbecf) und einer Hämoglobinkonzentration der Blutprobe (die alleine Hämoglobin enthält, das bei Oxygenierung saure Valenzen freisetzt, cHbProbe) unterschieden. Bei Verwendung der BEbl-Formel von ZANDER (1995) wurde die Basenabweichung unter Berücksichtigung des Extrazellulärraumes und des Desoxyhämoglobins (also der Annahme der Wiederherstellung von Sauerstoffvollsättigung) wie in Gleichung 6 dargestellt errechnet:

BEecfSauerstoffvollsättigung = (1 - 0,0143 . cHbecf . ((cHCO3- 24,26)

+ ((1,63 . cHbecf + 9,5) . (pH - 7,4))) - 0,2 . cHbProbe . (1 - sO2 / 100) Gl. 6

Hämoglobinkonzentrationen cHbecf und cHbProbe [g/dL]; Konzentration von Bikarbonat cHCO3 und Basenabweichung BEecf [mmol/L]; Sauerstoffsättigung sO2 [%].

Unter Verwendung jeder der oben aufgeführten Berechnungsmethoden konnte ein für Desoxyhämoglobin korrigierter BEbl bzw. BEecf berechnet werden. Dabei wurde zudem zwischen einer konstanten cHbecf von 5 g/dL (3,1 mmol/L) mit einer cHbProbe von 15 g/dL (9,3 mmol/L) und einer cHbecf von einem Drittel der gemessenen cHbProbe unterschieden.

Berechnung der Sauerstoffsättigung

Die in die Gleichungen 5 und 6 einzusetzende Sauerstoffsättigung [%] wird intern von den Analysatoren nach unterschiedlichen Algorithmen bestimmt. Vorliegend wurden jedoch für alle Analysatoren einheitlich die Gleichungen 7 und 8 zur Berechnung der Sauerstoffsättigung verwendet (modifiziert nach IL 1620, Benutzerhandbuch):

 

Gl. 7

mit

Gl. 8

Einheiten: Sauerstoffsättigung (sO2) = [%], Sauerstoffpartialdruck (pO2) = [mmHg],
Bikarbonat (HCO3) = [mmol/L].

Unterschiede zwischen den Berechnungsmethoden für den BEbl

In die Formeln zur Errechnung des BEbl (Gl. 1 und Anhang A) wurden Kohlendioxidpartialdrücke von 20 bis 80 mmHg und pH-Werte von 7,0 bis 7,8 eingesetzt. Die Ergebnisse der Berechnungsmethoden der einzelnen Analysatoren und der Formeln aus der Literatur wurden tabellarisch und als Säulendiagramme dargestellt. Es wurde unter der Annahme von vollständiger Sauerstoffsättigung und einer Hämoglobinkonzentration von 15 g/dL gerechnet.

Unterschiede zwischen den Berechnungsmethoden für den BEecf

Die Berechnungen und Darstellungen wurden wie bei der Basenabweichung des Blutes durchgeführt, jedoch unter Verwendung der Formeln zur Errechnung des BEecf (vgl. Gleichung 2 bzw., für Radiometer, nach der Formel im Anhang A mit einer konstanten cHb von 3 mmol/L).

Unterschiede zwischen den Berechnungsmethoden für das Bikarbonat

Quantitative Unterschiede zwischen den Berechnungsmethoden für das Bikarbonat wurden durch Vergleich der in Tabelle 3 aufgelisteten Berechnungsfaktoren ermittelt. Unterschiede in diesen Konstanten sind direkt proportional zu den Unterschieden bei Berechnung des Bikarbonats aus denselben Werten für pH und pCO2. Auch aus dem Algorithmus, der in den Geräten von Radiometer verwendet wird, läßt sich ein entsprechender Faktor ermitteln, der jedoch pH-abhängig ist (Gl. 9):

HCO3-FaktorRadiometer (pH) = 0,23 · 10 – 6,125 · (1 + 10 pH-8,7)Gl. 9

Die Konstanten aus Tabelle 3 und der pH-abhängige Bikarbonat-Faktor aus Gleichung 9 wurden im pH-Bereich 7,0 bis 7,8 graphisch dargestellt.