Zusammenfassung

Die Bestimmung der Basenabweichung durch Blutgasanalysatoren: eine Fehleranalyse

In der vorliegenden Studie wurden sieben Blutgasanalysatoren in bezug auf den Parameter Basenabweichung (englisch base excess, abgekürzt BE) verglichen. Zusätzlich wurde der klinische Nutzen der Berücksichtigung der Sauerstoffsättigung einer Blutprobe bei der Berechnung des BE geprüft.

Methodik

Verwendet wurden die Blutgasanalysatoren AVL Compact 2, Ciba-Corning 860, IL 1620, Nova Stat Profile 9, Nova Stat Profile Ultra, Radiometer ABL 500 und Radiometer ABL 510. Es wurden immer fünf Geräte gleichzeitig verwendet, wobei zwei der Geräte (Nova und Radiometer) im Verlauf der Messungen ausgetauscht wurden. Aus den Meßwerten für pCO2 und pH, teilweise auch unter Einbeziehung der Hämoglobinkonzentration, wurden von jedem Gerät die Basenabweichung (BE) des Blutes (in vitro, BEbl) und die Basenabweichung unter Berücksichtigung der Puffereigenschaften des Extrazellulärraumes (in vivo, BEecf) ermittelt. Die von den Geräteherstellern verwendeten Berechnungsmethoden wurden auf Differenzen untereinander und auf Unterschiede zu Berechnungsvorschlägen aus der Literatur untersucht, wobei speziell entwickelte Rechenprogramme eingesetzt wurden. Danach wurden arterielle und venöse Blutproben von 20 Patienten, die sich kardiochirurgischen Operationen unterzogen, in zwei Serien zu je 10 Patienten siebenmal hintereinander an jedem Gerät analysiert (insgesamt 700 Analysen). In zwei zusätzlichen Meßserien wurden arterielle und venöse Blutproben von gesunden Probanden nativ, nach Äquilibrierung mit vier Gasgemischen bekannter Zusammensetzung und nach Lagerung analysiert. Bei drei bis acht Wiederholungsmessungen je Analysator und Probe ergaben sich für beide Serien insgesamt 415 Analysen.

Ergebnisse

Die formale und graphische Analyse der Formeln ergab, daß eine Erhöhung des pCO2 und des pH zu einer Erhöhung des BE führt. Die Beziehung zwischen dem pCO2 und dem BE ist bei allen betrachteten Formeln linear. Die Beziehung zwischen pH und BE hingegen ist die Summe aus einer Exponentialfunktion des pH und einer linearen Funktion der Abweichung des pH vom Normalwert von 7,4. Radiometer verwendet hingegen eine andere Berechnungsmethode, um eine enge Übereinstimmung mit den Werten zu erreichen, die sich beim Ablesen aus dem Säure-Basen-Nomogramm von Siggaard-Andersen ergeben.

Bei den BEecf-Formeln aller Analysatoren zeigte sich, daß es sich um Varianten einer BEbl-Formel mit konstanter und niedriger Hämoglobinkonzentration (cHb) handelt. Bei normalem pCO2 und normalem oder erhöhtem pH hat die Hämoglobinkonzentration geringen Einfluß auf den BE (BEbl und BEecf sind annähernd gleich). Bei erhöhtem pCO2 ergibt die Berechnung des BEecf (bzw. das Einsetzen einer niedrigen cHb) höhere Werte, bei erniedrigtem pCO2 und Alkalose (hohem pH) ist der BEecf hingegen niedriger als der BEbl.

Zwischen den von den einzelnen Analysatoren verwendeten BEecf-Formeln bestehen Unterschiede von bis zu 0,7 mmol/L bei Normalwerten für pH und pCO2; bei BEecf-Werten im Bereich von +30 mmol/L wurden hingegen Differenzen von annähernd 5 mmol/L festgestellt. Bei den ebenfalls errechneten Bikarbonatwerten zeigten sich konstante Differenzen zwischen den Analysatoren von bis zu 4 %. Im Gerät von Radiometer wird die Bikarbonatkonzentration mit einem pH-abhängigen Faktor errechnet, womit sich bei pH = 7,8 Bikarbonatwerte ergeben, die 4 bis 8 % höher sind als die Ergebnisse mit den Formeln der anderen Geräte; bei pH = 7,0 sind sie hingegen 2 bis 6 % niedriger.

Die Standardabweichungen des BEecf bei Wiederholungsmessungen betrugen bei sechs der sieben Geräte zwischen 0,21 und 0,53 mmol/L, bei einem Analysator (Nova Stat Profile 9) jedoch 1,79 mmol/L. Die Variationskoeffizienten der Parameter pH und pCO2 betrugen zwischen 0,07 % und 0,15 % bzw. zwischen 1,3 % und 6,8 %.

Ein Vergleich der ermittelten Basenabweichungen ergab zwischen jedem der untersuchten Geräte statistisch signifikante systematische Unterschiede der durchschnittlichen BE-Werte, die unter Verwendung der BE-Berechnungsmethoden der jeweiligen Geräte bis zu 4,24 mmol/L (n = 65) betrugen. Die einheitliche Berechnung des BE reduzierte den maximalen systematischen Unterschied auf 3,07 mmol/L.

Die gerätespezifisch errechneten BEecf-Werte lagen bei den venösen Proben an Patientenblut durchschnittlich um 0,6 mmol/L (95%-Konfidenzintervall 0,53 bis 0,68 mmol/L) höher als bei den zeitgleich durchgeführten arteriellen Messungen (Standardabweichung der 468 gültigen Meßpaare = 0,82 mmol/L). Durch Anwendung einer einheitlichen BEecf-Formel mit Korrekturterm für die Sauerstoffsättigung ergab sich ein um nur noch 0,1 mmol/L (95%-Konfidenzintervall: 0,034 bis 0,167 mmol/L) höherer venöser Wert.

Die Messungen am Blut gesunder Probanden ergaben, daß das Äquilibrieren der Blutprobe (bei einheitlicher Berechnung unter Berücksichtigung der Sauerstoffsättigung) zu einem BEbl-Abfall um etwa 2,2 mmol/L (95-%-Konfidenzintervall 1,7 bis 2,7 mmol/L) führte. Signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Gasgemischen konnten dabei nicht festgestellt werden. Sofern die Sauerstoffsättigung bei der BEbl-Berechnung nicht berücksichtigt wurde, ergaben sich in Abhängigkeit von der Sauerstoffsättigung stärkere Differenzen zwischen den Gasen (maximal 3,3 mmol/L) und zu den venösen Referenzmessungen (maximal 5,1 mmol/L). Eine signifikante Änderung des BE durch die Probenlagerung wurde auch nach sechseinhalb Stunden gekühlter Lagerung nicht festgestellt.

Diskussion

BE-Unterschiede von 2 mmol/L sollten zuverlässig von den Geräten ermittelt werden können. Ebenso sollten die Geräte bei Patienten ohne Störungen des Säure-Basen-Haushaltes BE-Werte innerhalb eines Referenzbereiches ermitteln, der symmetrisch zum Nullpunkt ist und eine Gesamtbreite von 4 bis 5 mmol/L aufweist. Ferner sollten Werte, die von verschiedenen Geräten bestimmt werden, vergleichbar sein. Diese Forderungen wurden jedoch von den vorliegend untersuchten Geräten nicht zuverlässig erfüllt.

Die Unterschiede zwischen den von den Analysatoren verwendeten Formeln sind besonders bei metabolischen Alkalosen relevant. Unterschiede zwischen den durch denselben Analysator bestimmten BEbl- und BEecf-Werten treten besonders bei Hyperkapnie, aber auch bei Hypokapnie auf. Folglich sollten bei Umstellung auf den physiologisch besser begründeten BEecf auch die klinischen Grenzwerte angepaßt werden, obwohl Normalwerte und Referenzbereiche des BEbl und des BEecf annähernd gleich sind.

Bezüglich der Streuung der Meßwerte zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den Analysatoren. Von insgesamt 36 Abweichungen um mehr als 2 mmol/L (vom Mittelwert der vom selben Analysator an derselben Probe bestimmten Werte) war in 32 Fällen das Gerät Nova Stat Profile 9 betroffen. Bei den anderen Analysatoren kamen starke Streuungen wesentlich seltener vor, wobei der Analysator ABL 510 (Radiometer) die stabilsten Meßergebnisse ermittelte (größte Abweichung zum Mittelwert der eigenen Meßwerte 0,67 mmol/L).

Die Meßwerte der Hämoglobinkonzentration zeigten Variationskoeffizienten (Nova Stat Profile 9: 22,1 %; Nova Stat Profile Ultra: 9,5 %; Radiometer ABL 510: 14,5 %), die zwar für die Berechnung des BE ausreichend, jedoch für eine klinische Kontrolle auf Blutverluste ungenügend wären. Die cHb-Messungen an nativem und tonometriertem Blut gesunder Probanden wiesen weit niedrigere Variationskoeffizienten auf (Nova Stat Profile Ultra: 2,3 %; Radiometer ABL 510: 1,7 %). Auch bei Bestimmung des pH zeigten sich bei allen Geräten größere Variationskoeffizienten bei Messungen an Patientenblut (0,11 %) als am Blut gesunder Probanden (0,08 %). Daraus ergibt sich die Forderung, Evaluationsmessungen am Blut von Patienten mit Krankheiten verschiedener Schweregrade durchzuführen.

Bei den drei Geräten, die  nicht ausgetauscht wurden, nahm zwischen den Meßserien (101 Tage) der Variationskoeffizient des pCO2 zu (von 1,6 auf 2,3 %), besonders stark beim Gerät von AVL (von 1,3 auf 2,6 %). Die beiden ausgetauschten Geräte bestimmten den pCO2 hingegen stabiler als die Vorgängermodelle. Dies sind Hinweise auf Alterungsprozesse. Die Variationskoeffizienten des pH änderten sich hingegen weniger und uneinheitlich (im Mittel von 0,10 auf 0,12 %).

Die maximale Unterschied der Mittelwerte des BEecf zwischen zwei nicht ausgetauschten Geräten im Kreuzvergleich lag bei Beginn der Messungen bei 1,0 mmol/L. Durch einheitliche Berechnung des BEecf konnte er auf 0,5 mmol/L reduziert werden. Im Laufe der ca. 100 Tage zwischen den Meßserien vergrößerte sich diese Differenz jedoch auf bis zu 4,6 mmol/L (3,7 mmol/L bei einheitlicher Berechnung). Dies war im wesentlichen auf ein Auseinanderdriften der pH-Werte zurückzuführen und ist als Hinweis auf mangelnde Stabilität der Kalibrationspuffer zu werten.

Es konnte gezeigt werden, daß durch die Berücksichtigung der Sauerstoffsättigung bei der BEecf-Berechnung Fehler von bis zu etwa 3 mmol/L vermieden werden können. In der einheitlich verwendeten Formel wurde die pH-Steigerung durch Desoxyhämoglobin (Haldane-Effekt) auf 0,02 mmol H+ pro g Desoxyhämoglobin quantifiziert; bei vorliegenden Messungen erwies sich dies jedoch als zu gering, so daß der bereits vor über 60 Jahren ermittelte Wert von 0,03 mmol H+ pro g Desoxyhämoglobin als angemessener erscheint. Die veno-arterielle Differenz unterscheidet sich jedoch auch zwischen den BEecf-Formeln ohne Korrekturterm für ungesättigtes Hämoglobin und ist abhängig von der angenommenen Hämoglobinkonzentration des zur Pufferung relevanten Extrazellulärraumes, so daß eine von der BEecf-Formel unabhängige Quantifizierung des Haldane-Effekts nicht möglich war. Bei Berechnung des BEbl ist die veno-arterielle BE-Differenz deutlich kleiner, da eine Erhöhung des pCO2 den BEbl vergleichsweise weniger stark ansteigen läßt. Dies ist vermutlich eine der Ursachen dafür, daß sich die Korrektur für den Haldane-Effekt bisher nicht bei der Berechnung des BEbl durchsetzen konnte. Eine weitere mögliche Ursache besteht darin, daß der venöse im Vergleich zum arteriellen BEecf bei einigen kritischen Gesundheitstörungen erniedrigt ist.

In Anbetracht der großen und im zeitlichen Verlauf zunehmenden Unterschiede zwischen den Analysatoren bei BE-Bestimmung ist eine verbesserte Qualitätskontrolle der Geräte zu fordern. Eigene Messungen an speziellen HEPES-Pufferlösungen mit definierten BE-Zielwerten zeigten eine unbefriedigende Übertragbarkeit der von den einzelnen Geräten ermittelten Werte auf Ergebnisse von Messungen mit Vollblut. Empfehlenswerter ist daher zur Zeit die kontinuierliche Qualitätskontrolle durch systematische Mehrfachbestimmung von Blutproben an mehreren Geräten und durch Überwachung der Referenzbereiche. Auch für die Qualitätskontrolle mit Frischblut ist eine Berücksichtigung der Sauerstoffsättigung bei der BEecf-Berechnung sinnvoll, damit venöse ebenso wie arterielle Proben verwendet werden können und der zu erwartende Mittelwert jeweils 0 mmol/L beträgt. Für die Qualität der Meßergebnisse ist auch bedeutsam, daß das Blut ohne Verzögerung analysiert oder nur gekühlt gelagert wird, und daß keine relevante Verdünnung der Proben durch Infusionslösungen oder Heparin vorkommt.